Philosophische Impulse 2: Radikaler Zweifel

Philosophischer Impuls: Radikaler Zweifel

Alles falsch!?

Stellen Sie sich vor: Alles, was Sie für wahr halten, ist falsch. Alles, was Sie glauben, Täuschung. Alles, wovon Sie überzeugt sind, ein Irrtum.

Ihre Existenz? Bloße Einbildung, eine Computersimulation. Vielleicht existieren Sie nur als Figur im Traum einer anderen Person.

Ihre Sinneswahrnehmungen? Täuschungen, Träume, Halluzinationen.

Die Naturgesetze? Nur stümperhafte Erklärungsversuche für Ihre halluzinierten Wahrnehmungen.

Zweifel, Skepsis, radikales Hinterfragen

Zweifel, Skepsis, radikales Hinterfragen sind grundlegend für das Philosophieren. Wer philosophiert, staunt, stellt bestehende Erklärungen in Frage, gibt sich nicht ohne weiteres mit dem zufrieden, was andere sagen. Wer philosophiert ist sich dessen bewusst, dass es wohl unmöglich ist, letztgültige Gewissheiten zu erlangen.

Eine der Grundfragen der Philosophie, die Immanuel Kant formuliert hat, lautet daher auch: „Was kann ich wissen?“ Also: Was kann ich wirklich mit absoluter Sicherheit wissen. Sokrates soll freimütig bekannt haben, er wisse, dass er nichts wisse. Später in der antiken Philosophie machten die Pyrrhoneer und die Angehörigen der Neuen Akademie die Skepsis zu einem wesentlichen Prinzip ihrer Philosophie.

Radikaler Zweifel – methodischer Zweifel

Ein bekanntes Beispiel für radikale Skepsis finden wir bei René Descartes, der in seinen Meditationes de Prima Philosophia den Zweifel zur grundlegenden Methode erhebt: Schon als junger Mann war ihm aufgefallen, dass er sehr viel Falsches für wahr gehalten hatte und dass vieles sehr zweifelhaft war. Deshalb hatte er sich vorgenommen, einmal im Leben alle seine bisherigen Überzeugungen von Grund auf in Frage zu stellen und umzustürzen. Er war davon überzeugt, dass er ansonsten niemals zu wirklich sicheren Grundlagen für seine weitere wissenschaftliche Beschäftigung kommen könnte.

Jetzt sind Sie dran!

Haben Sie schon einmal ganz gezielt Ihre Gewissheiten und Überzeugungen infrage gestellt?

Wenn ja: Warum haben Sie das getan? Was waren die Gründe, was die Auslöser dafür? Haben sich diese Gewissheiten letzten Endes doch als richtig herausgestellt oder nicht? Welche Konsequenzen haben Sie daraus gezogen?

Falls nicht: Warum stellen Sie Ihre Überzeugungen nicht infrage? Was haben Sie – außer ein paar Minuten Zeit – zu verlieren?

Nehmen Sie sich doch im Laufe der Woche, z. B. in einer Kaffeepause oder abends vor dem Einschlafen, ein paar Mal Zeit und denken Sie über folgende Fragen nach:

„Welchen Nutzen könnte es für mich haben, wenn ich das, was ich für wahr halte, in Zweifel ziehe? Was habe ich dabei zu verlieren.“

„Welche meiner Gewissheiten sollte ich einmal grundlegend in Zweifel ziehen und von allen Seiten aus gründlich überprüfen?“

„Wie kann ich eine Überzeugung, die ich verinnerlicht habe, so kritisch und objektiv wie möglich anzweifeln und auf ihre Richtigkeit überprüfen?

„Welche Konsequenzen ziehe ich, wenn sich eine scheinbare Gewissheit als falsch herausstellt?“

Zweifeln Sie! – Es lohnt sich.

Zugegeben, wir wären völlig unfähig zu leben, ja auch nur die einfachsten Situationen unseres Alltags zu bewältigen, wenn wir ständig alles grundlegend infrage stellen würden.

Doch ab und an – oder wenigstens einmal im Leben wie in Descartes‘ Beispiel – sollten wir liebgewordene Überzeugungen auf den Prüfstand stellen.

Nehmen Sie sich doch regelmäßig – vielleicht einmal in der Woche oder einmal im Monat – die Zeit, eine Ihrer Überzeugungen von allen Seiten gründlich zu beleuchten und zu prüfen, ob sie – noch – Gültigkeit für Sie persönlich besitzt!

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